Immer mehr Menschen sind auf die Tafeln angewiesen

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Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft - ohne das Ehrenamt läuft dort nichts!

Rund 1,65 Millionen Menschen versorgen sich bei einer der 940 Tafeln in Deutschland mit Lebensmitteln – das sind zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Besonders groß sei die Nachfrage bei älteren Menschen. „Die Anzahl der Rentner unter den Tafelkunden ist innerhalb eines Jahres um 20 Prozent auf 430.000 gestiegen“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Tafeln, Jochen Brühl, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Samstag.

Es koste viel Energie, Armut zu verstecken, sagte Brühl. Diese Kraft hätten ältere Menschen oft nicht mehr – „und kommen dann zu uns“. Allerdings hätten viele Tafeln spezielle Angebote für Ältere gestartet, etwa Seniorennachmittage. Dies habe möglicherweise die Hemmschwelle gesenkt. Brühl geht nicht davon aus, dass eine Grundrente die Probleme grundsätzlich lösen würde. Effektive Bekämpfung der Altersarmut beginne im Erwerbsleben oder noch früher: „Unter unseren Kunden sind auch 500.000 Kinder und Jugendliche.“

Zugleich bewertete der Verbandschef Forderungen nach höheren und für die Bauern auskömmlichen Lebensmittelpreisen kritisch. „Einfach nur höhere Lebensmittelpreise zu fordern, ist zu einfach. Das würde die Kundenzahl bei den Tafeln in die Höhe treiben“, sagte Brühl. Zwar sei das Anliegen von Landwirten und Teilen der Politik verständlich. Aber: „Auch Menschen, die wenig haben, müssen sich gesund ernähren können.“ Er forderte mehr Unterstützung der Politik: „Bislang sind unsere Lager und Kühlfahrzeuge ausschließlich spendenfinanziert. Wir geraten an Kapazitätsgrenzen.“ Um noch mehr zu leisten, müsse aufgestockt werden. „Das Geld will uns aber niemand geben. Stattdessen werden wir von der Politik mit Schulterklopfern abgespeist.“

Die größte Herausforderung indes sei, Ehrenamtliche zu finden. Denn Lebensmittelrettung sei ein schnelles Geschäft, sagt Brühl. „Fahrer für die Tafeln müssen sehr verlässlich sein und sind oft mehrere Stunden am Stück ab den frühen Morgenstunden unterwegs, um Lebensmittel einzusammeln.“ Eine wichtige Unterstützung für die Tafeln seien deshalb Bundesfreiwillige, sogenannte Bufdis.

Auch die Vorsitzende des Landesverbandes der Tafeln Rheinland-Pfalz-Saarland, Sabine Altmeyer-Baumann (Bad Kreuznach), warnte im Gespräch mit der RHEINPFALZ am SONNTAG vor einer Überforderung der landesweit rund 5500 ehrenamtlichen Helfer: „Wir müssen darüber nachdenken, was wir als Tafeln noch leisten können und was nicht.“ Dieses Hilfsangebot gebe es nicht zum Nulltarif: „Ehrenamt kostet.“ Die 65 Tafeln des Landesverbandes, davon 54 in Rheinland-Pfalz und elf im Saarland, betreuen nach Angaben der Landesvorsitzenden etwa 72.000 Kunden, ein Drittel davon seien Kinder und Jugendliche.

Die Tafeln sind aus dem Alltag vieler armer Menschen nicht mehr wegzudenken. 

Quelle: Rheinpfalz am Sonntag, 8.Dezember 2019