Hat der Karneval ein Ehrenamtsproblem?

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Auflagen und hohe Kosten sorgen bei den Vereinen für Verdruß

Den Narren machen Auflagen und hohe Kosten zu schaffen. Deutschlands oberster Karnevalist, der Bexbacher Klaus-Ludwig Fess, hat daher dringende Appelle an die Politik gerichtet und alle Innenminister besucht. Das Ergebnis aus seiner Sicht: durchwachsen. Von Frank Bredel

Klaus-Ludwig Fess trifft die Bundeskanzlerin, spricht mit Innenministern und Oberbürgermeistern. Und immer geht es um das gleiche Thema: Deutschlands oberster Karnevalist kämpft für das Ehrenamt und die kleinen Vereine. Die SZ hat den Präsidenten des Bundes Deutscher Karneval (BDK) in seinem Homburger Büro besucht und mit ihm über die Probleme gesprochen, die dem Karneval, der Fastnacht und dem Fasching bundesweit zu schaffen machen.

Egal, wo ich in Deutschland hinkomme, überall loben die Politiker das Ehrenamt und zeigen – besonders zu Wahlkampfzeiten – Präsenz bei den Sitzungen und Umzügen. Nur an den Problemen der Vereine ändert sich gar nichts. Auch ein Ehrenamtsstärkungsgesetz kommt an der Basis in keiner Weise an“, beklagt der 51-Jährige, der im September als Präsident von 2,7 Millionen Karnevalisten aus 5344 Vereinen in Deutschland wiedergewählt wurde und Deutschland von Nord bis Süd bereist, um bei den Vereinen präsent zu sein oder Lobbyarbeit zu machen.

„Karneval ist eine ernste Sache“, sagt er und weiß genau, wovon er spricht, denn hinter den Kulissen des bunten Treibens knirscht es im Gebälk. Zwischen Kiel und Oberbayern beschäftige die Narren immer das Gleiche: Der Staat habe wohl vergessen, dass er Brauchtum nicht pflegen könne, wenn er kleine Vereine wie Konzerne behandele und sogar die Vorstände in die Haftung nehme. „Nach der Love-Parade-Katastrophe in Duisburg ging das richtig los. Verwaltungen wollten keinerlei Risiko mehr tragen und wälzten alles auf die Vereine ab. Plötzlich sind wir zuständig für die Terrorabwehr und müssen Einverständniserklärungen für Fotoaufnahmen auf die Eintrittskarten drucken, dabei ist unser Hauptproblem, wie man die Schuhe für die Gardemädchen bezahlen kann.“

Als Faustregel gelte inzwischen, dass man von 100 Euro Tageseinnahmen bei einer Sitzung gute 60 Euro an staatliche oder quasi-staatliche Stellen abführen müsse, schildert Fess, der als Betriebswirt ein Lohnsteuerbüro betreibt und 900 Mandanten im Saarpfalz-Kreis betreut und auf Landes- und Bundesebene mehrere Jahre Schatzmeister der Karnevalistenverbände war.

„Unsere Kosten sind explodiert. In den Steuergesetzen brauchen wir höhere Freibeträge für die Vereine. Es kommt vor, dass wir trotz Gemeinnützigkeit Steuern abführen müssen, obwohl die Vereine keinerlei Gewerbe ausüben. Dann kommen der Brandschutz dazu, die Auflagen nach der Versammlungsstättenverordnung, die Gema und die Künstlersozialkasse. Das überfordert die finanziellen Möglichkeiten. Und dann sollen die Vorstände auch noch Haftungsrisiken übernehmen. Wenn sie ein paar Theker bei der Kappensitzung beschäftigen und einer hat ihnen falsche Angaben gemacht, die sie gar nicht als Verein prüfen können, dürfen sie noch dafür geradestehen. Das kann man von keinem Ehrenamtler verlangen. Bei Umzügen sollen wir Lastwagen querstellen, um Terror zu vermeiden. Diese Fahrzeuge verlieren aber dann direkt ihren Versicherungsschutz. Auch das soll das Ehrenamt abfangen?“

Fess hat dringende Appelle an die Politik gerichtet, alle Innenminister besucht. Das Ergebnis war durchwachsen. „In Hessen war dem Minister sein Stuhl lieber als alles andere. Da gab es keinerlei Entgegenkommen. In Berlin hat der regierende Bürgermeister zugelassen, dass der einzige Umzug durch Auflagen kaputtgemacht wurde. Am Ende durfte der Lautsprecherwagen nur noch so laut sein wie eine private Wäscheschleuder“, klagt der BDK-Präsident und lobt die Politik im Südwesten: In Rheinland-Pfalz und dem Saarland sei man viel entgegenkommender, Probleme gebe es aber auch dort. „In Bexbach sind Rathaussturm und Umzug Veranstaltungen der Kommune. Die Vereine sorgen für das Programm. So sollte es überall sein. Aber allein in Saarbrücken lastet man den Umzug und alle Auflagen einem Karnevalsverein an. Der muss dann überlegen, ob er es überhaupt noch schafft.“

Fess, der in Bexbach Prinz und Präsident war, kennt die Nöte und sorgt sich um das Brauchtum. Die Datenschutzgrundverordnung sei ein „Riesenthema“. Es sei doch „komplett verrückt“, dass man in einem Gesetz die Großkonzerne und die ehrenamtlichen kleinen Vereine über einen Kamm schere. Nur, dass die Firmen die Risiken mit Versicherungen abfedern würden, die Vereine diese aber gar nicht zahlen könnten. Der BDK, der am 19. Februar bei der Kanzlerin sei und am Vortag eine Diskussionsrunde in der Saarländischen Landesvertretung Berlins ausrichte, kämpfe weiter dafür, dass es verbindliche Haftungsbegrenzungen im Ehrenamt und Entlastungen für Brauchtumsveranstaltungen gebe. Denn letzteres wolle der BDK erhalten.

 „Wegen dem finanziellen Druck weichen Vereine in den Sommer aus oder machen Party statt Sitzung. Diese Vereine schließen wir aus dem BDK aus. Die Kernelemente der Fastnacht, die zeitliche Abfolge der Session, das Veranstaltungsende am Aschermittwoch und die zwingenden Bestandteile der Sitzungen – Büttenrede, Tanz, Gesang, Musik und Heimatidentität – sind nicht verhandelbar. Wir denken dabei sogar über Zertifizierungen brauchtumsgerechter Sitzungen nach. Denn der klassische Karneval ist als immaterielles Kulturerbe der Menschheit von der Unesco anerkannt und muss als Tradition erhalten bleiben. Das Saarland ist da bestens aufgestellt und die Hochburg immer dort, wo man in lachende Gesichter schaut.“

SZ-Bericht am 2.Febr.2019